Zum Tod von Hatto Beyerle, 20. Juni 1933 – 16. Oktober 2023

19.10.2023

Hatto Beyerle unterrichtete an der Hochschule für Musik Basel zwischen 1990 und 2004 Viola und Kammermusik und hat während dieser Zeit viele seiner Studierenden entscheidend geprägt. Wie ehemalige Studentinnen und Studenten beschreiben, waren sein Vorbild, seine Arbeit als Lehrer und Mentor eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration und Kraft, die sie auch ihr ganzes späteres Berufsleben lang begleitet, ob als Kammermusiker:innen, solistisch, im Orchester oder als Lehrer:innen. Die Zusammenarbeit mit seinen Kolleginnen und Kollegen an der Basler Hochschule für Musik war immer getragen von grossem Engagement, gegenseitigem Interesse und dem gemeinsamen Ringen um höchste Qualität sowie die stetige Weiterentwicklung der künstlerischen Ausdrucksmittel. Dies bleibt allen in wertvoller und lebendiger Erinnerung.

Hatto Beyerle war zuvor Mitbegründer des Kammerorchesters Wiener Solisten und des bedeutenden und weltweit renommierten Alban Berg Quartetts. Mit letzterem gewann er zahlreiche internationale Preise. Von der deutschen Phonoakademie wurde er zweimal mit dem Titel Künstler des Jahres ausgezeichnet.

Dem VAN-Online-Magazin für klassische Musik gab Hatto Beyerle noch im Frühjahr 2022 ein Interview bei sich zu Hause, in der Nähe von Hannover, wo er seit den 1980er Jahren lebte. Die Journalistin Irene Suchy schreibt über ihn: «Die Begeisterung und Bewunderung für Virtuosität und Können der zeitgenössischen Künstler:innen hat ihn jung gehalten. Seine Ansichten zur Musik gleiten immer wieder in die Ideen zum Unterrichten.» Und dann schildert er, was für ihn das Besondere am Streichquartett ist:

«Wir sind alle in uns, jeder ist in sich gefangen. Es wäre interessant, wenn ich die Welt einmal durch deine Augen und deine Sinne wahrnehmen könnte, deine Sinne und deine Wahrnehmungen haben einen ganz anderen Hintergrund. Du bist später geboren, du hast den Krieg nicht erlebt, wahrscheinlich nicht. Und deine Erfahrungen sind vollkommen andere als meine, wo ich als Zwölfjähriger nicht begriffen habe, wenn eine Bombe einschlägt. Das ist gefährlich. Und so bin ich in mir gefangen und jeder ist in sich gefangen und keiner kann aus sich heraus. Wenn du Quartett spielst, bleibt ein Teil von dir gefangen, aber ein anderer Teil muss in die Gemeinsamkeit übergehen. Und wenn er das nicht kann, dann wird nichts draus.
Und das ist das Phänomen, das ich bis heute nicht begreife, wie das geschehen kann. Aber ich weiß, dass es geschehen kann: dass selbst gegensätzliche Charaktere in dem Bemühen, aus diesen vier Stimmen etwas Gemeinsames zu machen, etwas Neues entstehen lassen, ein Einziges. Dieses Phänomen ist mir bis heute unbegreiflich.»